UN bieten Gbagbo die Stirn

by Le Magazine de la Diaspora Ivoirienne et des Ami(e)s de la Côte d’Ivoire | 22 décembre 2010 0 h 40 min

Bei gewaltsamen Ausschreitungen in der Elfenbeinküste sind nach UN-Angaben in den vergangenen drei Tagen mehr als 50 Menschen getötet worden. Zudem seien in diesem Zeitraum mehr als 200 Menschen verletzt worden, erklärte am Sonntag in Genf die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay. In der Elfenbeinküste ist die Lage seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl Ende November äußerst gespannt. Pillay zeigte sich besorgt über die „massiven Menschenrechtsverletzungen“ in dem afrikanischen Land.

In der Elfenbeinküste droht ein gewalttätiger Konflikt zwischen dem international nicht anerkannten Präsidenten Laurent Gbagbo und der UN-Mission Onuci. Gbagbo forderte am Wochenende den sofortigen Abzug der UN-Mission und der französischen Militärmission „Opération Licorne“. Die Präsenz der fremden Truppen verletze die Souveränität des ivorischen Staates. Die Vereinten Nationen hatten Gbagbo zuvor aufgefordert, die Macht an den mutmaßlichen Sieger der Präsidentenwahl von Ende November, Alassane Ouattara, abzutreten.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wies die Forderung nach einem Abzug umgehend zurück. Er bekräftigte, dass die UN anstrebten, das Ende Dezember regulär endende Mandat der Onuci zu verlängern. Daraufhin beschossen „Männer in Uniformen“ am Samstagabend eine Patrouille von Blauhelmsoldaten in der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan. Auch das Gebäude der UN wurde unter Feuer genommen. „Wir bereiten uns inzwischen auf alles vor“, sagte der Onuci-Sprecher am Sonntag. Die Mission der Vereinten Nationen hat wie nahezu alle westlichen Botschaften ihr Personal in der Elfenbeinküste in Erwartung bürgerkriegsähnlicher Zustände bereits reduziert.

Frankreich, das in Abidjan nach wie vor einen militärischen Stützpunkt unterhält, reagierte zunächst nicht auf die Forderung nach einem Abzug der „Opération Licorne“. Die französische Truppe steht zwar unter dem Befehl des Pariser Generalstabs, ist aber mit einem Mandat der Vereinten Nationen versehen.

„Opération Licorne“ hatte unmittelbar nach Beginn des Bürgerkrieges 2002 mit dem Einverständnis von Gbagbo begonnen und maßgeblich dazu beigetragen, die Frontlinie zwischen Regierungstruppen und Rebellen „einzufrieren“. Auf dem Höhepunkt der Krise umfasste die französische Truppe nahezu 6000 Soldaten. Doch wurde die Truppenstärke inzwischen auf 900 Soldaten reduziert, deren Aufgabe es ist, die Onuci zu unterstützen. Die UN-Mission in der Elfenbeinküste wiederum hatte im April 2004 begonnen und zählt inzwischen rund 10.000 Soldaten, Polizisten und zivile Mitarbeiter.

Gbagbo war nach den Wahlen Ende November vom ivorischen Verfassungsrat mit 51 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt worden. Die unabhängige Wahlkommission jedoch hatte Alassane Ouattara mit 54 Prozent der Stimmen zum gewählten Präsidenten erklärt. Das Gbagbo-Lager sprach jedoch von massiven Wahlfälschungen im Norden der Elfenbeinküste zugunsten Ouattaras. Deshalb hatte der Verfassungsrat die Ergebnisse aus drei Wahlbezirken annulliert.

Internationale Wahlbeobachter hatten die Wahlen als „weitgehend frei und fair“ bezeichnet, wenngleich sie wie etwa die Wahlbeobachterkommission der Europäischen Union keine Beobachter in die umstrittenen Nordregionen, die nach wie vor von ehemaligen Rebellen kontrolliert werden, entsandt hatten. Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für die Elfenbeinküste, Youn-jin Choi, hatte die Manipulationen im Norden als „nicht relevant für das Endergebnis“ bezeichnet. Seither beanspruchen sowohl Gbagbo als auch Ouattara für sich, Präsident zu sein. Beide haben Regierungen ernannt.

Ouattaras Ministerpräsident, Guillaume Soro, nannte die Abzugsforderungen „lächerlich“, weil Gbagbo „gar nicht mehr Präsident der Elfenbeinküste ist“. Ouattara, der von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßiger Präsident betrachtet wird, lebt in einem Hotel in Abidjan. Er wird dort beschützt von rund 800 UN-Soldaten sowie von Soldaten der „Forces Nouvelles“. So nennen sich die Rebellen, die 2002 den Bürgerkrieg in Côte d’Ivoire begannen.

Guillaume Soro war der Anführer dieser Rebellen, bis er nach dem Friedensvertrag von Ougadougou zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung unter Gbagbo aufstieg. Aus der Sicht vieler Bürger im Süden der Elfenbeinküste ist alleine diese Konstellation der ultimative Beweis für den langgehegten Verdacht, dass Ouattara hinter den Rebellen steht, was dieser vehement bestreitet. Im wirtschaftlich wesentlich besser als der Norden entwickelten Süden des Landes dürfte Alassane Ouattara niemals als Präsident akzeptiert werden.

Gbagbo jedoch wird international immer weiter isoliert. Nicht nur droht die EU ihm mit Sanktionen und haben die Vereinigten Staaten ihn aufgefordert, die Macht an Ouattara abzugeben. Am Freitag ließen auch die Afrikanische Union (AU) und die Wirtschaftgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (Ecowas) Gbagbo fallen. Jean Ping, der Präsident der AU-Kommission, hatte Gbagbo am Freitag in Abidjan einen Brief überreicht, in dem beide Institutionen ihn unmissverständlich auffordern, die Macht abzugeben. Damit scheinen die Forderungen des Gbagbo-Lagers nach einer „Vermittlung“ durch eminente afrikanische Persönlichkeiten endgültig abgelehnt zu sein.

Dass unter diesen Vorzeichen noch eine friedliche Einigung zu erzielen sein könnte, wird mit jedem weiteren Tag unwahrscheinlicher. Zu befürchten ist, dass sich Krawalle wie vom vergangenen Donnerstag in Abidjan in den kommenden Tagen wiederholen.

Ouattara hatte seine Anhänger aufgerufen, das Gebäude des staatlichen Rundfunks zu besetzen. Wie zu erwarten war, richteten die Sicherheitskräfte daraufhin ein Blutbad mit offenbar bis zu 30 Toten an. Blé Goudé, ehedem Anführer der von Gbagbo gesteuerten Schlägerbanden der „Jeunes Patriotes“ und neuerdings Gbagbos Minister für Jugend und Arbeit, gab am Wochenende den Ton vor, als er von einem „Krieg gegen Ouattara bis zum bitteren Ende“ sprach. „Wir werden die Elfenbeinküste ein und für alle Mal befreien“, sagte der wegen seiner Gewaltbereitschaft als „Blé, la machette“ bekannte Goudé.

Die „Jeunes Patriotes“ hatten während des Bürgerkrieges durch wiederholte Übergriffe insbesondere auf französische Staatsbürger auf sich aufmerksam gemacht, weil Gbagbo dem damaligen Präsidenten Jacques Chirac vorwarf, die Rebellion gegen ihn gutzuheißen.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AFP, dapd

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Endnotes:
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